12 mar 2013

75 Jahren „Anschluss“ und Alfred Klahr

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1. Der Anschluss – die Frage der Nation für Deutschland, Österreich, Tschechien

Vor genau 75 Jahren einmarschierten die deutschen Truppen in Österreich. Ein wichtiges Ereignis, nicht nur, weil es ein Beispiel des imperialistiches Raubzuges war: es war auch ein wichtiger Moment, wo die faschistische Demagogie mit dem Nationalismus spielte.

Die definition der Nation war für den Faschismus. immer opportunistich and imperialistisch Es ging nie um Kultur, sondern nur um Eroberung. Im fall Österreichs ist es wichtig zu sehen, wie der Faschismus hier behauptete, die Massen zu befreien. Der Anschluss war als „Gerechtigkeit“ vorgestellt.

Genau das selbe passierte mit den Sudetendeutschen – auch wenn Österreich schon eine eigene Nation war, and wenn die Sudetendeutschen Teil der tschechischen Nation waren.

Das ist das Problem, womit die Kommunisten in Deutschland, Österreich und die Tschechoslowakei damals handeln müssten. Der National-Sozialismus gab an, die Massen zu vereinigen – und es stimmte, dass diese Massen kulturell sehr nah waren.

Auch wenn Deutschland, Österreich und sogar selbst die ganze Tschechoslowakei eigenen Nationen waren, sie hatten sehr vieles gemeinsam. Die Tschechoslowakei war im 15en Jahrhundert das stärkste Teil des Heiligen Römischen Reiches.

Die Geschischte dieses Teils der Welt war die des Kampfes um die Vorherrschaft im „deutschen“ Bereich. Nachdem Böhmen es nicht schaffte, die Vorherrschaft zu befestigen, nachdem Österreich es auch nicht schaffte, die deutsche Einheit zu organisieren, schaffte es Preussen, mit der sogenannten „kleinen Lösung“.

Österreich, durch die katholische Ideologie des Barockes, unterdrückte Böhmen, das magistral die hussitische fortschrittlische Ideologie am Anfang des 15en Jahrhunderts entwickelt hatte. Eine Ideologie die damals nicht nur den Protestantismus am Leben brachte, sondern auch den Kommunismus, mit der Taboriten Revolution, die Thomas Müntzer so beeindruckte.

Es ist da nicht zu vergessen, dass wichtige sozialistischen Figuren wie Karl Kautsky oder Karl Renner aus Tschechien waren; sie trugen diese Tradition.

Wenn also Hitler gegen die Slawen war, war es auch weil Tschechien das am meisten demokratische Teil der „Deutschen“ symbolisierte. Der Anschluss Österreichs an „Grossdeutschland“ war eine judenfeindliche und anti-slawische Aktion.

2. Alfred Klahr – über die Beziehung zwischen Deutschland und Österreich

Alfred Klahr (1904–-1944) war Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Österreichs ; er starb in Warschau, nachdem er aus dem KZ Auschwitz-Birkenau geflüchtet war.

Er hat eine herrvorragende Rolle gespielt, indem er über die Entwicklung der eigenständigen österreichischen Nation gearbeitet hat.

Im Artikel „Zur nationalen Frage in Österreich“, veröffentlicht in 1937 in der seit 1933 illegalen kommunistischen Zeitschrift „Weg und Ziel“, bemerkte Klahr, dass es in Österreich einen Widerspruch gab, zwischen zwei nationale Möglichkeiten:

„Denn der deutsch-nationalen Strömung in einem Teil des österreichischen Volkes steht die andere historisch entstandene national österreichische Orientierung entgegen.

Wir müssen der falschen Auffassung entgegentreten, als ob die nationale Frage in Österreich sich erschöpfe in der Anschlussfrage, als ob die nationale Bewegung identisch sei mit der deutsch orientierten, d.h. heute mit der nationalsozialistischen Bewegung.

Nein, der Kampf, der in Österreich in den letzten Jahren um die Unabhängigkeit des Landes ausgefochten wurde und noch weitergehen wird, solange der Hitlerfaschismus in Deutschland an der Macht ist, hat auf beiden Seiten tiefere nationale Wurzeln, die weit in die Geschichte des österreichischen Volkes zurückreichen. Es gab und gibt in Österreich eben zwei nationale Tendenzen.“

Von wo kommen diese zwei Tendenzen? Sie kommen von Klasseninteressen. Einerseits ging die Bourgeoisie in der Richtung der Grossdeutschenlösung, anderseits stand die Monarchie für eine ganz andere Richtung.

Klahr erklärt uns:

„Noch am Vorabend der großen bürgerlichen Revolution in Frankreich (1789) gab es auf dem gemeinsamen Territorium der Deutschen über 300 kleinere und größere wirtschaftlich abgeschlossene, politisch voneinander unabhängige, deutsche Fürstentümer, die sich oft einzeln oder in größeren Koalitionen gegenseitig bekriegten.

Das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation", das unter Habsburg bis 1806 bestand, bezog sich bestenfalls auf einige wenige repräsentative Akte, änderte aber nichts an dieser wirtschaftlichen und politischen Zersplitterung, an der schrecklichen "deutschen Misere".

Erst die Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus drängte dazu, Deutschland "zu einem Ganzen zusammenzufügen", drängte zur Herstellung der "Einheit der Nation". Der Kampf um die Einheit der Nation steht im Mittelpunkt der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts bis 1871.

Eine einheitliche deutsche Nation, die auch den deutschen Stamm in Österreich mit eingeschlossen hat, hat es aber - "streng genommen" - bisher in der Geschichte nie gegeben.“

Und, danach:

„Die bürgerliche Revolution von 1848 stellte sich zur Aufgabe, die staatliche Einheit der deutschen Nation unter Einbeziehung der Deutschen in Österreich zu verwirklichen, was nur gegen die beiden Dynastien Habsburg und Hohenzollern möglich war.

Das war auch das Ziel der revolutionären Vorhut der Arbeiterklasse und des demokratischen Kleinbürgertums in Österreich. Die Revolution wurde geschlagen.

Die österreichische Bourgeoisie verband sich in ihren entscheidenden Schichten gegen diese Lösung der deutschen Frage mit den feudalen Klassen, mit der Habsburg-Dynastie. Sie war ökonomisch an der Beherrschung des Donauraums interessiert und daher nur bedingt deutsch, aber vor allem österreichisch orientiert.

Der Ausgang des Krieges 1866 zog den Schlussstrich unter eine Entwicklung, die schon Jahrzehnte vorher begonnen hatte und die deutschen Österreicher ökonomisch und politisch vom Übrigen Deutschland trennte.

Auf dieser Grundlage der Trennung vom Übrigen Deutschland, des Lebens unter anderen Bedingungen entwickelte sich in den Massen des österreichischen Volkes eine besondere nationale Eigenart, eine österreichische Orientierung, die die Trennung von Deutschland nicht bloß als vorübergehend empfand und die auf die Erhaltung der Selbständigkeit gegenüber dem Übrigen Deutschland gerichtet war.

Diese Orientierung hatten nicht nur die entscheidenden Schichten der österreichischen Bourgeoisie (wir sprechen von jenem Gebiet, das das heutige Österreich bildet) und die Massen des Bauerntums und Kleinbürgertums, die unter dem Einfluss der katholischen Kirche und der christlich-sozialen Partei standen.

Diese Einstellung bildete sich auch in der österreichischen Arbeiterklasse vor der Jahrhundertwende zum Unterschied von ihrer Haltung 1848 heraus.

Das Eigenartige der nationalen Entwicklung in Österreich liegt aber darin, dass dieser Orientierung eine andere, eine deutsch-nationale Orientierung entgegenstand, die vorwiegend kleinbürgerliche und bürgerliche Schichten, insbesondere große Teile der Intelligenz erfasste.

Diese blieb unter den besonderen Verhältnissen der Monarchie sozial unbefriedigt und orientierte sich daher national auf Deutschland. Sie empfand die Trennung von Deutschland als vorübergehend und betrachtete als ihr nationales Ziel den Zusammenschluss mit dem Übrigen Deutschland.

Der Kampf dieser beiden nationalen Tendenzen, die mitten durch das österreichische Volk gehen, erfüllt die österreichische Geschichte. Deshalb ist die nationale Entwicklung der deutschen Österreicher zu einer besonderen österreichischen Nation nicht abgeschlossen.

Die Revolution von 1918/19 und die Zerschlagung der Habsburg-Monarchie brachten noch einmal - nach 1848 – eine historische Chance der Lösung der nationalen Frage der deutschen Österreicher im Sinne der deutschen Einheit.“

Die Gründung der deutschen Republik fand aber gegen die sozialistische Revolution statt. Es war nicht demokratisch; die deutsch-österreichischen Massen konnten nicht folgen. Daraus ist es möglich, das Österreich eine eigene Kultur hat:

„Wenn wir absehen von den internationalen Elementen aus den verschiedenen modernen Kulturen, die ein untrennbarer Bestandteil des Kulturlebens des österreichischen Volkes wie aller modernen Völker geworden sind, dann finden wir, allgemein betrachtet, zwei Wellen der österreichischen Kultur: erstens das allgemeine deutsche Kulturerbe aus jener Zeit, wo die deutschen Stämme noch nicht zur Nation geeint waren (die Literatur im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, vor allem die deutsche Klassik usw.).

Darüber hinaus besteht eine besonders enge Verbindung mit der deutschen Kultur - enger als mit anderen Kulturen -, die aus der Sprachgemeinschaft und vorwiegend daraus erfließt, dass ein Teil des österreichischen Volkes diese Verbindung bewusst aufrecht zu erhalten suchte.

Es ist dies der deutschnational orientierte Teil des Volkes, besonders ein großer Teil der Intelligenz. Natürlich gibt es Elemente der deutschen Kultur und gegenseitige Befruchtung des geistigen Lebens auch in den meisten anderen modernen Kulturen, so in der französischen, englischen usw.

Aber im Falle Österreichs handelt es sich aus den aufgezeigten Gründen um eine besonders enge Verbindung.

Zweitens haben wir die eigene spezifisch österreichische Kultur, die aus den besonderen österreichischen Lebensverhältnissen erfließt und ihrer Verwurzelung im Volke nach stark ins Gewicht fällt.

Es gibt auf allen Gebieten der Kunst eine Reihe von Männern, die auf keinem anderen als österreichischem Boden denkbar sind, die in ihrem Schaffen spezifisch österreichische und keine andere Eigenart des nationalen Charakters verkörpern.

Man denke z.B. an solche Schriftsteller und Dichter wie Grillparzer, Anastasius Grün, Raimund, Nestroy, Kürnberger, Anzengruber, Rosegger, Schnitzler, Ferdinand Saar, Schönherr, Wildgans, Karl Kraus, Petzold, Stefan Zweig; an solche Musiker wie Haydn, Mozart, Schubert, Strauß, Bruckner; an solche Meister der bildenden Künste wie Makart, Defregger, Egger-Lienz, Waldmüller, Anton Hannak und andere mehr.

Eine Analyse ihrer Werke wird darin jene besonderen Züge des nationalen Charakters der Österreicher widergespiegelt finden, von denen auch Engels auf einige hinwies, als er "das lustige, erregbare, der glücklichen kelto-germano-slawischen Rassenmischung mit Vorwiegen des deutschen Elements geschuldete Temperament" der deutschen Österreicher hervorhob (Brief Engels' an Victor Adler vom II. XI. 1893 ). Man könnte dem noch eine Reihe von großen österreichischen Männern auf dem Gebiete der Wissenschaften hinzufügen, um zu sehen, dass es eine besondere österreichische Kultur gibt, die - getrennt von der deutschen - einen eigenen Beitrag zur Entwicklung der Kultur der Menschheit geleistet hat.

Diese doppelte Art der Quellen des österreichischen Kulturlebens widerspiegelt die Eigenart, das Zwiespältige der nationalen Entwicklung des österreichischen Volkes, die im Kampf zweier nationaler Tendenzen vor sich ging.“

Deswegen kommt Klahr zur Feststellung, dass:

„Man sagt oft: Wir Österreicher sind Deutsche. Schuschnigg sagt auch: Wir sind der zweite deutsche Staat.

Stimmt dies?

Natürlich sind wir auch Deutsche, aber man muss fragen, in welchem Sinne.

Z.B. nennen sich sowohl die Tataren der Krim und auch die der Tatarischen Autonomen Republik Tataren. Und doch stellen beide zwei verschiedene Nationen dar. Allerdings ist die historische Auseinanderentwicklung dieser beiden tatarischen Stämme bereits soweit gediehen, haben sie sich unter so verschiedenen Kultureinflüssen entwickelt, dass beide schon eine verschiedene Sprache sprechen.

Nehmen wir z.B. die Wolgadeutschen. Sind sie Deutsche? Natürlich. Das Wort "deutsch" sagt hier nur, dass sie nicht Russen und nicht Ukrainer sind, sondern ein deutschsprechendes Volk.

Das Wort "deutsch" bezeichnet hier die Sprache, die Abstammung, die Herkunft, aber sagt nichts über den nationalen Charakter, gibt keine Antwort auf die Frage, ob die Wolgadeutschen ein Teil der deutschen Nation sind.

Nichts anderes bedeutet es, wenn wir sagen, dass wir Österreicher Deutsche sind.“

3. Alfred Klahr – Österreich, eine neue Nation

Was Alfred Klahr erklärt war damals sehr wichtig; es wurde aber nicht von den damaligen Kommunisten verstanden. Aber wir wissen jetzt, dass Alfred Klahr den revolutionären Gedanken für Österreich konstituiert hat; für heute auch, in Österreich, spielt diesen Gedanken die führende Rolle.

Alfred Klahr hatte also den Widerspruch des österreichischen Gesellschaft richtig verstanden; er hatte richtig gesehen, wie die österreichische Nation noch ein Prozess war und, dass die eine Lösung korrekt war, während die andere reaktionär war:

„Die großen Führer des Proletariats haben uns gelehrt, dass unsere Stellung zur nationalen Frage untergeordnet sein muss den allgemeinen Interessen des proletarischen Befreiungskampfes.

Wir können nicht jedwede nationale Entwicklung eines Volkes verteidigen, sondern nur jene Entwicklung, die in der Richtung des allgemeinen historischen Fortschrittes liegt, d.h. den Interessen der allgemein demokratischen Weltbewegung und des internationalen proletarischen Klassenkampfes entspricht.“

Österreich als Nation war eine Richtung die genommen wurde, weil es demokratisch war, während anderseits das Schmelzen mit Deutschland reaktionär war, auch wenn das Gegenteil möglich gewesen wäre, falls Deutschland die Richtung der Demokratie und der sozialistischen Revolution genommen hätte.

Solche Beispiele sind sehr wichtig, um die Beziehungen der Nationen zu verstehen, insbesondere in einer Zeit, wo der Sozialismus die Völker einen wird, bis zur sozialistischen Weltrepublik.

Es ist auch bemerkenswert, dass Alfred Klahr richtig verstanden hat, wie die reaktionäre eine „Nation“ vorstellen, die eine Abstraktion ist.

Klahr notiert:

„Zunächst zeigt Stalin, dass man streng unterscheiden muss zwischen dem Begriff Volksstamm und dem Begriff Nation. Der Volksstamm - das ist ein ethnographischer Begriff, ein Begriff der Völkerkunde, ein unhistorischer Begriff.

Von deutschen Volksstämmen z.B. kann man ebenso in der Zeit des Sippenkommunismus als im Zeitalter des Feudalismus, als im Zeitalter des Kapitalismus sprechen. Die Nation jedoch ist ein historischer Begriff.

Die Bildung der Nationen war erst in einer bestimmten historischen Epoche, war nicht vor der Epoche des aufsteigenden Kapitalismus und des Kampfes gegen den Feudalismus möglich.

Zwei Völker, die ethnographisch dasselbe sind und auch dieselbe Sprache sprechen, können sehr wohl sich zu verschiedenen Nationen entwickelt haben (z.B. Engländer und Amerikaner, Kroaten und Serben), während umgekehrt in der Regel verschiedene Volksstämme zu einer Nation verschmolzen sind (z.B. bildete sich die heutige italienische Nation aus Römern, Germanen, Etruskern, Griechen usw.).

Stalin gibt folgende Definition für die Nation: "Die Nation ist eine historisch entstandene, stabile Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der in der Kulturgemeinschaft zum Ausdruck kommenden Geistesart."

Stalin gibt also vier Merkmale an: Gemeinschaft der Sprache, Gemeinschaft des Territoriums, Gemeinschaft des Wirtschaftslebens und Gemeinschaft der Geistesart oder, wie sie auch anders genannt wird, des "nationalen Charakters", der sich in den Besonderheiten der nationalen Kultur bzw. in der Kulturgemeinschaft des betreffenden Volkes ausdrückt.

Wodurch unterscheidet sich diese Definition Stalins von anderen Definitionen, darunter auch von der Definition Otto Bauers?

Die Definition von Stalin ist die einzig marxistische, ist eine historisch-materialistische, sie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung, die das gemeinsame Wirtschaftsleben und das gemeinsame Territorium für die Entstehung einer Nation haben!

Dem stehen die bürgerlichen und auch die sozial-demokratischen (Otto Bauers) Auffassungen der Nation gegenüber, die in idealistischer Art die Besonderheit des "nationalen Charakters" oder der Kultur- und Sprachgemeinschaft als das allein ausschlaggebende Merkmal der Nation hervorheben.

Diese Auffassungen können die vielfältige Wirklichkeit der Entstehung und des Lebens der Nationen nicht erklären, sie sind unmarxistisch, sind falsch und daher zu bekämpfen.“

Das ist alles sehr richtig, und Alfred Klahr hat meisterhaft bewiesen, dass er die Situation Österreichs verstanden hat. Als die Nazis Österreich als „Ostmark“, als Region bestimmt haben, hat Klahr die historische fortschrittlische Seite der Geburt Österreichs verstanden: es war ein demokratischer Pol.

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